Mit den diesjährigen Olympischen Sommerspielen von Paris wird ein Meilenstein in der Sportgeschichte erreicht: Erstmals seitdem Frauen im Jahr 1900 ebenfalls in Frankreich die Teilnahme an diesen internationalen Wettkämpfen gewährt wurde, sind sie auch zahlenmäßig gleich stark vertreten wie die männlichen Medaillenanwärter.
Was prinzipiell sehr positiv klingt und als Symbol jahrzehntelanger Mühen durchaus gefeiert werden darf, sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir von Gleichberechtigung im Sport immer noch weit entfernt sind.
Doch nicht nur das – auch Sexismus stellt leider nach wie vor ein gewaltiges Problem dar, mit dem sich Athletinnen konfrontiert sehen. Die Erwartung, schlicht und ergreifend über die erbrachte sportliche Leistung definiert zu werden, wird somit auch im Jahr 2024 noch nicht erfüllt. Stattdessen fühlen sich viele Betroffene auf ihr Aussehen reduziert und bestimmte Faktoren tun ihr Übriges dazu, dieses Problem weiterhin zu befeuern.
Athletinnen zwischen Extremsport und Weiblichkeit
Es ist nicht ohne, den eigenen Organismus auf Höchstleistungen vorzubereiten und dabei konstant an seine körperlichen Grenzen zu gehen. Muskulatur wird gezielt aufgebaut, die Ernährung angepasst. Körperformen verändern sich und damit auch die Optik. Für viele Sportlerinnen ist es folglich umso wichtiger, sich dennoch weiblich zu fühlen und sich auch so zu präsentieren.
Sei es, indem man eine hübsche Naturkrause zur Schau stellt oder in der Freizeit aus der praktischen Kurzhaarfrisur mithilfe von Clip in Extensions aus 100% Echthaar einen neuen Look zaubert. Schließlich sind die Haare im Grunde die einzige Möglichkeit, ein individuelles Statement zu setzen, während man von Berufs wegen den ganzen Tag in funktionaler Sportkleidung verbringt.
Inwiefern Sportlerinnen veralteten Rollenbildern ausgesetzt sind
Es ist eine Tatsache, dass es Frauen erst vor 124 Jahren gestattet wurde, sich ebenfalls in manchen Disziplinen auf internationalem Niveau zu messen. Nach diesem ersten Vorstoß erlangten sie nur langsam und nach langem Ringen Zugang zu immer weiteren Sportarten. Was viele gar nicht wissen: Marathon war bis zum Jahr 1984 allein den Männern vorbehalten und Stabhochsprung sogar bis zum Jahr 2000!
Viele männliche Vertreter scheinen sich dennoch nach wie vor kaum damit abfinden zu können, dass ihre weiblichen Mitstreiterinnen zu vergleichbaren Bestleistungen fähig sind und in vielen Disziplinen ebenso beeindruckende Ergebnisse erzielen. Überhaupt haben Männer den Sport schon immer für sich beansprucht in der traditionellen Überzeugung, dass Frauen sich um andere Aufgaben zu kümmern hätten.
Warum immer noch keine Gleichberechtigung herrscht
Auch wenn wir von diesen längst überholten Vorstellungen glücklicherweise heutzutage abgekommen sind, zeigen sich viele patriarchalische Strukturen doch weiterhin. Damit verbunden werden Frauen nicht in gleichem Maße gefördert, bekommen im Profisport erheblich geringere Gagen und sind überdies zahlreichen Anfeindungen ausgesetzt.
Die Ansichten, ihre sportliche Karriere sei nicht mit ihrem eigentlich zugedachten Mutterdasein vereinbar oder der weibliche Körper rein biologisch nicht für solche Extrembelastungen ausgelegt, halten sich leider nach wie vor in vielen Köpfen.
Auch Interviews, in denen erfolgreiche Sportlerinnen nach ihrem Beautygeheimnis oder bewährten Diättipps gefragt werden, spiegeln traurigerweise sehr anschaulich wider, wie wenig ernst deren Leistung genommen wird. Und die Medienerstattung setzt da gerne noch eins oben drauf, wenn sie beispielsweise das körperbetonte Outfit einer Sportlerin oder deren hübsche Gesichtszüge in den Fokus rückt.
Sportbekleidung verschärft das Sexismus-Problem
Sportlerinnen werden folglich nicht selten über ihr Aussehen bewertet oder gar als Objekt betrachtet. Hieran sind übrigens mitunter sehr fragwürdige Bekleidungsvorschriften schuld, die vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) jahrelang vorgegeben wurden. Diese sahen bis 2012 unter anderem vor, dass Beachvolleyballerinnen ausschließlich Bikinihöschen und knapp bemessenen Oberteilen zu tragen hatten, während die Männer in Shorts und T-Shirts spielten.
Doch selbst nach Änderung dieser Regeln tritt keine allzu Besserung ein, da Sportbekleidungshersteller wie der Branchenriese Nike in dieselbe Kerbe schlagen und Frauen im Profisport damit unvermeidbar sexualisieren. Während beispielsweise die Laufbekleidung für Herren deren Oberschenkel bedeckt, werden für Läuferinnen hingegen Modelle mit hohem Beinausschnitt gefertigt.
Auch im Profisport ist der Gender Pay Gap allgegenwärtig
Enormer Nachholbedarf herrscht ebenfalls, was den immer noch allgegenwärtigen Gehaltsunterschied von Frauen und Männern im Profisport betrifft. Im populären Mannschaftssport wie dem Profifußball beispielsweise streichen Männer durchschnittlich drei Mal so hohe Erlöse ein wie weibliche Fußballerinnen.
Woher diese Differenz rührt, lässt sich durchaus erklären: Zunächst einmal generiert Männersport wesentlich höhere Einschaltquoten und Einnahmen durch Ticketverkäufe, was sich ebenfalls auf die Sponsoringsummen auswirkt.
Zudem sind Spitzensportlerinnen wesentlich weniger populär, weil die Berichterstattung sehr einseitig erfolgt und ihnen keine adäquate Plattform bietet. Schließlich belaufen sich auch die Werbeverträge auf deutlich geringere Summen, weshalb am Ende im Umkehrschluss weniger an die Sportlerinnen ausgezahlt wird.
Wie das Thema wirkungsvoll angegangen werden sollte
All diese Gründe bedeuten jedoch keinesfalls, dass die Situation des Gender Pay Gaps so bleiben muss, wie sie ist. Ganz im Gegenteil sogar, denn da die offensichtlichen Knackpunkte bekannt sind, kann man diese auch aktiv in Angriff nehmen. Hierfür ist erforderlich, an verschiedenen Stellen anzusetzen, um sowohl politisch als auch gesellschaftlich die nötigen Veränderungen herbeizurufen.
Die folgenden Maßnahmen sind dafür unverzichtbar:
- Höhere Investitionssummen für Frauensport: Durch gezielte Werbepartnerschaften und Sponsorenverträge kann somit mehr Umsatz generiert werden, der sich seinerseits auf die Bezahlung der Sportlerinnen niederschlägt.
- Sichtbarkeit durch umfangreichere Berichterstattung verbessern: Der Sportsender Sky geht hier bereits mit gutem Beispiel voran, indem deutlich mehr Sendezeit für Frauensport eingeräumt wird.
- Frauen in Führungspositionen des Spitzensports fördern: Damit werden die Karrierechancen für beide Geschlechter angeglichen und die richtigen Zeichen gesetzt.
- Effektive Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit mit dem Ziel, mehr Sensibilität für den Missstand zu schaffen sowie entsprechende Initiativen und Kampagnen ins Leben zu rufen.
- Gesetzesänderungen zugunsten von Sportlerinnen: Mithilfe angepasster Tarifverträge und eines fairen Bonussystems ließe sich hier schon viel erreichen. Dass ein solcher Schritt keineswegs utopisch ist, zeigt das Beispiel einer erfolgreichen Klage der US-amerikanischen Fußballnationalmannschaft der Frauen gegen die United States Soccer Federation (USSF) aus dem Jahr 2019.
Kein Zweifel – es wird noch ein langer Weg sein, um all diese Ungleichheiten aus der Welt zu schaffen und mit falschen Vorstellungen aufzuräumen. Des Weiteren bedarf es der Mithilfe aller, um auch hinsichtlich der Anerkennung des Frauensports sowie der Verbannung sexistischer Tendenzen große Schritte nach vorne zu machen. Es besteht jedoch Hoffnung, dass die diesjährige Olympiade einen gelungenen Auftakt für diesen Prozess darstellen wird.